Um noch einhalten zu können, musste Maja sich schon sehr stark konzentrieren. Sie verfluchte sich dafür, nicht zur Vorsicht noch einmal auf die Toilette gegangen zu sein. Es war ihr schlicht zu lästig gewesen, dabei kannte sie ihren Körper, wusste, dass er ihr des Öfteren Streiche spielte.
Sie beneidete die Frauen mit stundenlangem Durchhaltevermögen – sie selbst war von jeher der Mensch gewesen, der jede Möglichkeit nutzen sollte, die sich ihm bot. Nicht selten kam es vor, dass sie bereits kurze Zeit nach dem Toilettenbesuch erneut pinkeln musste. Und wenn es dann keine Gelegenheit gegeben hatte, war ihr auch schon der eine oder andere peinliche Unfall passiert. Dies wollte sie ausgerechnet hier, auf der weiß bezogenen Behandlungsliege des jungen, gut aussehenden Orthopäden, allerdings ganz gewiss nicht erleben.
Der Druck in ihrem Unterleib nahm kontinuierlich zu, unruhig wibbelte sie auf der Liegefläche herum. Zwar hatte der sympathische Arzt, der ihr die Akupunkturnadeln gesetzt hatte, angeordnet, ruhig liegen zu bleiben und sich zu entspannen, doch hatte er natürlich nicht mit diesem unbändigen Drang in ihrer Blase gerechnet. Sie dürfe sogar einschlafen, wenn ihr danach wäre, hatte er lächelnd erwähnt – leichter gesagt als getan.
Sie versuchte, eine Position zu finden, in der sie es einigermaßen aushalten konnte, doch das war inzwischen nicht mehr möglich. An sämtlichen Stellen ihres Körpers steckten feine Nadeln. Ihre Hände lagen untätig rechts und links von ihr. Gern hätte sie sie zu Fäusten geballt, um zumindest einen Teil der Spannung zu mildern, doch nicht einmal das funktionierte, da zwei der Stifte in der dünnen Haut zwischen Daumen und Zeigefinger saßen, was nicht unerheblich schmerzte. Dieses Empfinden sollte laut Arzt jedoch so sein – so erkannte er, den korrekten Punkt getroffen zu haben. Ob diese Art der Behandlung gegen ihre Verspannungen und die daraus resultierenden Kopfschmerzen helfen würde, wusste sie nicht – im Moment verlockte sie der Gedanke, die Sitzung einfach abzubrechen und zum Klo zu stürzen, gewaltig.
Vorsichtig schlug die junge Frau ihre Beine übereinander, presste sie hilflos zusammen. Hauptsache, sie berührte die Nadeln in ihren Fußknöcheln nicht. Dass es aber auch immer dermaßen plötzlich kommen musste …
Sie zählte die Sekunden, wartete nur noch auf den Augenblick, in dem die Angestellte käme, um sie von den feinen Metallstiftchen zu befreien und damit zu erlösen. Innerlich betete sie, dass die Helferin da war, bevor es zu spät sein würde. Sie konnte nichts tun, außer zu warten – mittendrin aufzustehen und davonzulaufen ging einfach nicht. Sie war zu einer Art eiligem Not-Fall geworden, von dem jedoch niemand etwas wusste.
Eine neue Welle schwappte durch ihren Unterkörper. Voller Reue erinnerte sich Maja an jeden noch so winzigen Schluck Flüssigkeit, den sie heute im Lauf des Tages zu sich genommen hatte. In Gedanken sah sie das WC-Schild vor sich, das in der Arztpraxis neben dem Eingang hing und an dem sie eben so leichtsinnig vorübermarschiert war. Nicht genug damit, dass ihr ständiger Pinkeldrang sie nervte, viel schlimmer war der Umstand, dass ihr Körper ihr vom ersten Signal, eine Toilette aufzusuchen, bis zu dem unvermeidlichen Missgeschick nicht allzu viel Zeit gab. Wenn sie erst einmal musste, war es sofort dringend. So wie jetzt.
Sie bekam eine Gänsehaut, als sie jeden Muskel anspannte, um nicht direkt loszupinkeln. Am schwierigsten war der Blasendruck im Liegen auszuhalten, so wie jetzt. Könnte sie doch wenigstens sitzen oder stehen, besser noch, sich bewegen. Sie seufzte und tat sich selbst leid. Wie schaffte sie es nur immer wieder, in eine derartige Lage zu geraten? Sie war ein Tollpatsch und so was von selbst schuld. Doch es half nichts, hier musste sie durch, gleichgültig wie sie überhaupt in diese Not geraten war.
Vielleicht gelang es ihr, sich mental zu stärken, indem sie sich motivierte? Kein Problem, das schaffst du locker, redete sie sich gut zu. Du wartest bereits so lange, die Dreiviertelstunde muss gleich um sein. Und dann nur noch die Treppe hinauf und schon bist du auf dem Klo. Das kannst du. Du musstest doch bereits öfter heftig einhalten … Leider war es nicht so einfach wie erhofft. Ihre Selbstbeherrschung bröckelte. Und zu ihrem Leidwesen fielen ihr nun erst Recht die Begebenheiten ein, bei denen es eben nicht bis zur Toilette gereicht hatte …
Die Minuten zogen sich endlos hin. Eine weitere Woge rauschte durch sie hindurch, worauf Maja einen leisen Laut der Verzweiflung von sich gab. Und als sie spürte, dass es nicht mehr ging, verlor sie einen Teil ihrer Kontrolle. Unaufhaltsam drängte ihr Urin sich seinen Weg durch ihre Harnröhre. So verzweifelt sie sich auch bemühte, sie war außerstande, zu verhindern, dass ein erster Schwall aus ihr herauslief. Warm ergoss er sich in ihren Slip, der sofort bis zum Po nass war.
Es dauerte einige Sekunden, bis es gelang, ihrem Schließmuskel wieder ihren Willen aufzuzwingen und einzuhalten. Zur selben Zeit hörte sie ein wenig entfernt das Klingeln, das das Ende der heutigen Sitzung ankündigte. Maja atmete auf. Sie wusste, die Erleichterung würde bestenfalls ein paar Minuten anhalten, dann konnte es erneut passieren, dass das Drängen die Überhand gewann und ihre Blase ein zweites Mal nachgab. Sie hätte nicht viel Zeit, um von der Behandlungsliege herunterzukommen.
Mit einem unangenehmen Kribbeln im Bauch überlegte sie, wie groß der Fleck unter ihr wohl sein könnte. Aber andererseits – speziell in einer Arztpraxis sollte man damit umgehen können. Ihr tat diejenige leid, die das nasse Laken von der Liege würde ziehen müssen – ein weiterer Grund nicht zu warten. Darauf, die Reaktion der Arzthelferin zu sehen, war sie nicht sonderlich erpicht. Diese zog gerade den Vorhang der kleinen Kabine beiseite und lächelte sie an:
»Alles in Ordnung? Konnten Sie gut entspannen?« Maja nickte, versuchte, sich nichts anmerken zu lassen. Wenigstens trug sie eine schwarze Hose, so blieb ihr kleines Unglück für Außenstehende hoffentlich unsichtbar.
Routiniert entfernte die Frau die feinen Nadeln, prüfte, ob sie keine übersehen hatte. Indessen setzte Maja sich unruhig auf.
»Bleiben Sie gern noch einen Moment liegen«, empfahl die Angestellte freundlich, bevor sie Maja wieder allein ließ. Scheinbar hatte sie von ihrer Nervosität nichts bemerkt. Dieser lag jedoch nichts ferner, als sich nur eine Sekunde länger aufzuhalten als nötig.
Hektisch stieg sie in ihre Schuhe, wobei sie ihre Schenkel eng zusammenpresste, nahm ihre Jacke vom Haken und wandte sich der Tür zu. Von dort aus drehte sie sich noch einmal um. Als sie den großen, hellgelben Fleck auf dem weißen Frotteebezug sah, griff sie sich unwillkürlich zwischen die Beine. Ihre Oberschenkel waren trocken geblieben, nur der Po hatte durch die liegende Position eine Menge der Nässe abbekommen. Auch dort fühlte Maja kurz nach, bevor sie die Kabine endgültig verließ.
Schnellen Schrittes rannte sie die Treppe hinauf. Es war immer noch dringend, ihr gesamter Körper bestand nur aus dem einen Wunsch, sich endlich zu erleichtern.
Fahrig drängelte sie sich an den übrigen Patienten vorbei, die sich vor dem Tresen der Anmeldung versammelt hatten und auf Rezepte oder Terminvergaben warteten. Das WC-Schild sprang ihr unübersehbar vor die Augen, war nun allerdings keine Option mehr. Zu sehr fürchtete Maja sich davor, noch in der Praxis zu sein, wenn unten der Fleck entdeckt werden würde. Zudem missfiel ihr der Gedanke, ihre nasse Wäsche nach dem Pinkeln wieder anziehen zu müssen. Aus Erfahrung wusste sie, wie ekelhaft sich ein feuchter, kalter Slip anfühlte. Dann lieber sofort nach Hause. Zum Glück wohnte sie nur zwei Straßen weiter, was das einzig Positive an diesem ganzen unerfreulichen Erlebnis war. Einer der Hauptgründe übrigens, sich für diesen Arzt zu entscheiden, als er vor Kurzem neu eröffnet hatte.
Draußen atmete sie tief durch. Mit dem letzten Rest ihrer Beherrschung eilte sie den Gehweg entlang. Es dauerte allerdings nicht lange, bis ihr Schließmuskel wieder versagte und erneut eine größere Menge der heißen Flüssigkeit in ihre Kleidung lief. Doch nun war es ihr egal. Ihre rettende Wohnung war nah.
Bevor sie überhaupt in ihrer Etage angekommen war, kramte sie bereits hektisch in ihrer Tasche nach dem Wohnungsschlüssel. Ihr Puls raste, ihr Atem ging schnell. Von einem Fuß auf den anderen tretend, fummelte sie ihn endlich ins Schloss.
Nur einen Atemzug später war sie drinnen. In der Sekunde, als die Tür hinter ihr zufiel, brachen alle Dämme.
Der wahnsinnig starke Drang, endlich nachgeben zu wollen, wurde übermächtig. Ein weiteres Einhalten war ihr beim besten Willen nicht mehr möglich. Ihre Blase entleerte sich unausweichlich. Eine erhebliche Menge Urin strömte heiß an ihren Beinen herab, prasselte zwischen ihren Füßen auf das Laminat. Machtlos schaute sie zu, konnte nichts anderes tun, als sich der Situation hinzugeben. Mit der Erlösung kam kurz der Gedanke, dass es sich gar nicht so schlecht anfühlte, wie es warm und prickelnd an ihr herablief. Die salzige Nässe ließ ihre Stoffhose an den Schenkeln kleben.
Aufatmend lehnte sie sich gegen die Tür, von ihrem Gefühl fast überwältigt. Sie fragte sich, wie lange ihr letztes, derart großes Missgeschick zurücklag … Es war eine ganze Weile her.
Als Maja an sich herabsah, folgte ihr Blick der kleinen Lache, die sich auf dem glatten Boden gebildet hatte und sich nun Richtung Küche ausbreitete.
Sie wartete, bis ihr Körper sich vollständig entleert hatte, schloss die Augen und dachte an die Situation in der Praxis zurück. Immer, wenn der immense Druck vorüber war, konnte sie sich kaum noch in Erinnerung rufen, wie es war, die Beherrschung zu verlieren. In ihrem Kopf hörte sie sich selbst rügen, dass kein Mensch so dringend pinkeln musste, dass er es nicht noch die fünf Minuten bis zur Toilette aushielt. Gleichzeitig war ihr klar, dass es bei ihr jedoch so war. Sie würde wohl auch in Zukunft noch die eine oder andere nasse Hose erleben – aber war das denn wirklich so tragisch? Ihr Optimismus kehrte zurück. Lächelnd musterte sie noch einmal ihre Beine, die die deutlichen Spuren ihres Unfalls trugen. Erst dann begann sie langsam, ihre Schuhe auszuziehen.