Noch nie war ich derart in Nöten gewesen. Und dabei war abzusehen, dass ich diese Qual noch mindestens eine Stunde würde aushalten müssen. Wie ich das schaffen sollte, vor allem ohne aufzufallen, war mir schleierhaft.
Nervös schob ich einen Stapel Zettel von einer Seite des Pults auf die andere, musterte hierbei die gesenkten Köpfe des Kurses vor mir, der sich mit einer ziemlich komplizierten Matheklausur abmühte.
Ich hätte mich selbst ohrfeigen können. Es war ein Fehler gewesen, den Klassenraum überhaupt zu betreten, ohne vorher noch einmal die Toilette aufgesucht zu haben – erst recht, wenn man bedachte, wie viel Kaffee ich heute Morgen bereits in mich hineingeschüttet hatte. Üblich war das nicht, doch die Geburtstagsparty eines Freundes hatte dafür gesorgt, dass ich nur wenige Stunden Schlaf bekam. Außerdem wusste ich zu diesem Zeitpunkt nicht, dass ich schon bald das Vergnügen haben würde, die Aufsicht über diese mehrstündige Klausur zu führen …
Der zuständige Lehrer war verhindert, die Arbeit konnte nicht verschoben werden. Da lag es nahe, den einzigen anderen verfügbaren Mathelehrer als Vertretung zu organisieren. Ich biss die Zähne zusammen. Eine neue Welle des verfluchten Harndrangs spülte über mich hinweg. Verkrampft saß ich auf dem unbequemen Stuhl und bemühte mich, mir nur ja nichts anmerken zu lassen.
Begonnen hatte es bereits kurz nach dem Läuten. Ich spürte, dass ich mal musste, verdrängte es allerdings schnell wieder. Die früheste Gelegenheit, ein Klo aufzusuchen, war nach Ende der dreistündigen Mathematikarbeit, die als Vorbereitung auf die Prüfung zum Abschluss gedacht war. Das Gefühl nervte ein wenig, doch noch konnte ich es beiseiteschieben.
Eine halbe Stunde später sah es schon anders aus. Der Druck wurde heftiger, meine Konzentration schwand. Unruhig ging ich zwischen den Tischen herum, hoffte darauf, dass die Bewegung ein wenig Linderung schaffen würde. Einige Schüler hatten Fragen zu den gestellten Aufgaben, die ich gern beantwortete. Dann jedoch wurde es still im Klassenraum, arbeitsames Schweigen breitete sich aus. Also sah auch ich mich gezwungen, meinen Platz hinter dem Lehrerpult einzunehmen. Eigentlich hätte ich die Zeit gern genutzt, um die Hausaufgaben meiner fünften Klasse zu korrigieren, doch meine Gedanken kreisten zwischenzeitlich mehr oder weniger verzweifelt um meine rebellierende Blase, die kurz vor dem Überlaufen schien. Niemals zuvor hatte ich dermaßen dringend pinkeln müssen. Ein Blick auf die Uhr sagte mir jedoch, dass der erlösende Gang zum WC noch in weiter Ferne lag. Also hielt ich die belastende Pinkelnot irgendwie aus.
Hin und wieder spürte ich verstohlene Blicke auf mir. Natürlich wusste ich, dass der eine oder andere liebend gern auf die Unterlagen seines Sitznachbarn oder sogar auf einen Spickzettel geschaut hätte. Dazu müsste derjenige allerdings sicher sein, dass ich selbst in meine Arbeit vertieft war – sich erwischen zu lassen war selbstverständlich keine Option. Dennoch kam es mir so vor, als ob jeder der Jugendlichen mir meine Not ansehen konnte. Neben der körperlichen Qual war es mir zutiefst unangenehm, ausgerechnet vor einer Klasse mit über zwanzig neugierigen Augenpaaren zu sitzen, während ich mich fragte, wie lange ich dem Drang überhaupt noch würde standhalten können.
In so eine peinliche Situation war ich innerhalb meiner gesamten Schullaufbahn bislang nie gekommen. Normalerweise achtete ich darauf, mich vor längeren Prüfungen zur Sicherheit zu erleichtern. Heute hatte ich es das erste Mal nicht getan – und bereute es außerordentlich.
»Herr Jensen?« Ich schaute hoch. Eines der Mädchen hatte den Arm halb erhoben, um auf sich aufmerksam zu machen.
»Ich müsste bitte zur Toilette.« Statt einer Antwort nickte ich nur. Neiderfüllt sah ich ihr nach, als sie zügig den Raum verließ.
Ich schlug die Beine übereinander, presste meine Oberschenkel zusammen, während ich versuchte, einen möglichst entspannten Gesichtsausdruck beizubehalten. Wie gern wäre auch ich kurz verschwunden … Doch selbst, wenn es nur wenige Minuten dauern würde, wäre die gesamte Klausur damit hinfällig. Die Schüler allein zu lassen kam partout nicht in Frage. Genau so wenig, wie dem mächtigen Pinkeldrang nicht nachzugeben und zu riskieren, dass die Natur einfach ihren Lauf nahm.
Langsam begann ich mich zu fragen, ob ich eines von beiden überhaupt würde vermeiden können. Und was, im Fall der Fälle, die schlimmere der zwei undenkbaren Möglichkeiten war. Im Geiste sah ich mich, in gebückter Haltung und mit der Hand im nassen Schritt, aus dem Klassenzimmer eilen. Was für eine Zumutung – nicht nur für die Schüler, sondern auch für mich. In Windeseile würde es sich in der Schule herumsprechen und der Spott, sowie die Erwähnung des Vorfalls in der Schülerzeitung wären mir gewiss. Auf der anderen Seite gab es einfach keine Entschuldigung dafür, eine Prüfung vorzeitig abzubrechen und den Schülern damit potentiell die Noten zu versauen. Eine weitere Klausur war vor den Ferien nicht mehr umsetzbar – nur das war überhaupt der Grund, weshalb ich heute die Vertretung in diesem Grundkurs hatte übernehmen müssen.
Innerlich wand ich mich, während ich weiterhin versuchte, mir nichts anmerken zu lassen. Mir war heiß. Immer wieder wechselte ich die Sitzhaltung, lehnte mich zurück, ließ meinen Blick durch den Raum schweifen, rutschte dann wiederholt vor an die Stuhlkante, in der Hoffnung, dass niemand sah, wie ich mich zusammenkrümmte. Meine Hand zuckte mehr als einmal in Richtung meines Schw**zes, doch im letzten Moment beherrschte ich mich. Der Lehrertisch bot nicht ausreichend Sichtschutz, als dass ich hier, in dieser Position, meinen Penis hätte kneten können, obwohl der Gedanke sehr verlockend erschien. Vielleicht würde eine Erektion mir helfen, die starke Pinkelnot weiterhin zu unterdrücken. Doch auch diese Vorstellung verbot ich mir strengstens.
»Herr Jensen?« Ich blickte fahrig zu dem jungen Mann, der mich leise angesprochen hatte.
»Können Sie kurz kommen?« Verzweifelt riss ich mich zusammen, stand dann langsam auf. Bei jedem Schritt spürte ich meine randvolle Blase. Nur mit Mühe gelang es mir, ein Lächeln zustande zu bringen.
»Wie ist diese Aufgabe gemeint? Ist das hier richtig, was ich geschrieben habe?« Ich kniff die Oberschenkel zusammen, als ich mich zu ihm beugte, um sein Gekritzel besser deuten zu können. Im Normalfall hätte ich ihm die Aufgabenstellung noch einmal in anderen Worten erläutert, um ihm die Chance zu geben, selbst zu entscheiden, ob seine Ausführungen korrekt waren. Die Frage, ob er es richtig gelöst hatte, durfte ich ihm nicht beantworten. In meiner derzeitigen Lage blieb mir allerdings nichts anderes übrig. Ich musste so dringend, dass ich es nicht ertrug, noch länger dort zu stehen, die Blicke sämtlicher Schüler im Rücken. Also nickte ich nur knapp. Seine erstaunte Miene ignorierte ich.
Mit dem verbliebenen Rest meiner Selbstbeherrschung stakste ich zurück zum Pult. Dabei schaute ich auf die große Wanduhr über der Tür. Noch immer fünfzehn Minuten bis zum erlösenden Pausenklingeln, das diese Tortur beenden sollte. Vor meinem inneren Auge sah ich bereits das rettende Klo vor mir. Und ich betete, dass kein anderer mehr um hilfreiche Ratschläge bitten würde.
Ich muss nur noch diese letzten Minuten überstehen, redete ich mir gut zu. Nur noch ein paar wenige Momente, dann könnten die Schüler nach vorn kommen, ihre Zettel abgeben und dann, endlich, würde diese Quälerei vorbei sein. Ich verschränkte die Arme vor meinem Bauch, lehnte mich vor. Eine weitere Schülerin bat darum, die Toilette aufsuchen zu dürfen. Bevor sie ging, legte sie ihre Aufgaben vor mir auf den Tisch. Wie unsagbar gern hätte ich mit ihr getauscht.
Mein Blick klebte förmlich an den Zeigern der Wanduhr, die sich kaum zu bewegen schienen – zumindest aus meiner Sicht. Im Klassenraum machte sich jedoch langsam Nervosität breit. Erst ein weiterer Schüler hatte sich entspannt zurückgelehnt, alle anderen blätterten hektisch durch die Seiten, bemüht, wenigstens noch die letzten Ergänzungen unterzubringen. Eine Sekunde dachte ich daran, dass es eine nette Geste wäre, ihnen noch zusätzliche fünf Minuten zu genehmigen; meine Notlage machte die Gewährung der Extrazeit jedoch unmöglich. Ich tröstete mich damit, dass auch fünf Minuten die Klausur nicht retten konnten und ihr eigentlicher Mathelehrer, für den ich hier in Vertretung saß, der Klasse sehr wahrscheinlich keine derartige Chance geboten hätte. Dennoch: ein weiterer Grund, mich miserabel zu fühlen.
Als eine neue Welle heftig durch mich hindurch schwappte, und ich mir fast sicher war, es nicht mehr einhalten zu können, erklang endlich das ersehnte Geräusch der Schulglocke.
»Bitte abgeben«, presste ich zwischen den Zähnen hervor. Um keinen Preis würde ich noch durch die Reihen gehen und die Klausuren einsammeln. Steif verharrte ich in meiner Haltung. Inzwischen schwitzte ich vor Anstrengung, spürte, wie das T-Shirt, das ich unter dem Hemd trug, feucht an meiner Haut klebte. Die Ersten hatten bereits den Raum verlassen, den Nachzüglern riss ich die Arbeiten nun förmlich aus der Hand.
»Habe es eilig«, murmelte ich, während ich im Hinausgehen die Unterlagen in meine Tasche stopfte. Es kostete alle Kraft, nicht unmittelbar loszurennen.
Bitte, halte nur noch einen kurzen Augenblick durch … Jetzt nur nicht aufgeben, flehte ich mich selbst an, den Flur herunterstolpernd, der sich schlagartig mit Menschen füllte.
Rempelnd manövrierte ich mich durch den vollen Gang. Die Lehrertoilette war zu weit entfernt, diesen Weg könnte ich sicher nicht mehr schaffen. Es fühlte sich an, als ob mein Schließmuskel jede Sekunde seinen Dienst quittieren würde, doch noch immer verbot ich mir, die Hand zu Hilfe zu nehmen. Es musste einfach gut gehen.
Ich hastete in das nächstgelegene Jungsklo. Erleichtert atmete ich auf: noch niemand da. Schnell feuerte ich meine Tasche auf den Boden, während die Finger schon am Verschluss der schwarzen Jeans nestelten. Die ersten Tropfen rannen heiß die Harnröhre entlang. Jetzt, mit dem weißen Porzellan vor Augen, konnte ich mich nicht mehr beherrschen. Verzweifelt riss ich meinen Schw**z aus dem Slip, der zum Glück nur wenig Nässe abbekam.
Die Tür stand weiterhin offen, doch das war mir gleichgültig. Und dann lief es, unhaltbar. Mit einem Gefühl unendlicher Erleichterung betrachtete ich den goldgelben Strahl, der in das Becken prasselte. Ich stöhnte auf. Die Befreiung war sagenhaft. Es war die härteste Prüfung meines Lebens. So entsetzlich gelitten, wie in den vergangenen Stunden, hatte ich wirklich noch nie. Und ich schwor mir, dass mir so etwas auch niemals wieder passieren würde …
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