Hätte sie gewusst, dass sich die Führung durch die Fabrik derart lange hinziehen würde, wäre sie bestimmt vorher zum Klo gegangen. Nun aber war es zu spät – sie befand sich mittendrin und die Erklärungen der Fertigungsabläufe mitsamt den Besichtigungen der Maschinen und Produktionsbänder wollten kein Ende nehmen …
Diesen Tag, der Charlotte in eine so desolate und ausweglose Lage brachte, dass sie vor Pinkelnot weder ein noch aus wusste, würde sie sicher nie wieder vergessen. Und dabei war dieser Abschnitt der interessanteste Teil ihres Betriebswirtschaftsstudiums: Die Inaugenscheinnahme der Herstellungsstätten mit all ihren Abläufen, Gerüchen, Geräuschen und Menschen. Sie hatte sich darauf gefreut, und nun das: Ihre Blase war so voll, wie sie es zuvor noch nicht erlebt hatte, jeder einzelne Schritt bereitete ihr Mühsal und sie kämpfte permanent damit, dass ihr Schließmuskel um jeden Preis durchhalten sollte. Noch waren keine Tröpfchen in ihren Slip gelangt, doch wie lange könnte sie die wahnsinnige Flut, die drängender kaum sein konnte, zurückhalten? Dass es draußen heftig regnete, machte die Sache nicht besser; hart und unüberhörbar prasselten die Tropfen auf das Dach und quälten sie zusätzlich.
Sie bewegten sich gefühlt seit Stunden durch die Hallen. Es ging nur langsam voran, immer wieder blieben sie stehen und lauschten dem Produktionsleiter – unter anderen Umständen wären dessen Ausführungen hochinteressant für die junge Studentin gewesen, heute jedoch hatte Charlotte kein Ohr für diese Themen. Genau genommen, für nichts außer für ihre Blase und die händeringend benötigte Information, wo sich die am schnellsten zu erreichende Toilette befand. Da eine solche aber nicht in Reichweite war und sie sich nicht traute, danach zu fragen, um den Fabrikangestellten nicht zu unterbrechen und den geplanten Ablauf nicht zu stören, war sie gezwungen, es weiterhin einzuhalten. Hätte ich doch nur nicht die zwei großen Becher Kaffee getrunken, bereute sie ihre frühmorgendliche Entscheidung, mit ihrer WG-Bewohnerin noch ein wenig länger am Frühstückstisch sitzen zu bleiben, bitter. Zumindest hätte ich vor dem Losgehen noch einmal zum Klo flitzen sollen, lautete ihr nächster Gedanke, mit dem sie sich ebenfalls ihre Leichtfertigkeit vom Morgen vorwarf.
Die kurzen Strecken, die sie von Maschine zu Maschine gingen, das ständige Stehenbleiben und die langatmige Art, in der ihnen von der Effizienz der Anlagen berichtet wurde, setzten Charlotte extrem zu. Nicht nur einmal befürchtete sie, nicht länger gegen den brennenden Druck in ihrem Unterbauch ankämpfen zu können. Sie schwitzte in den Achseln, unter den Brüsten und in ihren Leisten, bis zum Po hinauf – dies fühlte sie deutlich und es störte sie erheblich, doch was sollte sie tun? Zumal sie in diesem Moment ein weitaus prekäreres Problem zu lösen hatte …
Ihre gesamte Hoffnung baute auf die Mittagspause, dem Zeitpunkt, an dem sie sich gemeinsam in die Werkskantine begeben würden. Falls sie es täten … Abgesprochen war es nicht, doch die hübsche Dunkelhaarige hatte längst beschlossen, notfalls allein dorthin zu stürmen und zuallererst das Damen-WC in Beschlag zu nehmen.
Als die Zeiger der großen Wanduhr in der Halle fünf vor zwölf Uhr anzeigten und es fast so weit war, dass die Mittagspause begann, konnte Charlotte sich nur noch unter riesiger Anstrengung davon abhalten, unaufhaltbar in ihr Höschen und die Jeans zu pinkeln. Nur noch diese fünf Minuten, das musste zu schaffen sein! Sie trat von einem Fuß auf den anderen, ging immer wieder leicht in die Knie und zählte förmlich die Sekunden mit.
Endlich war es so weit – das Signal, dass die Arbeitsunterbrechung zur Mittagszeit akustisch ankündigte, erklang. Die Arbeitenden legten die Werkzeuge aus der Hand und stellten die Maschinen ab.
Als Charlotte sich leise keuchend bereitmachte, dem größten Teil der Leute zu folgen, in der festen Annahme, sie würden der Kantine entgegenstreben, nahm der Produktionsleiter die Gruppe unangekündigt zur Seite.
»Das müssen Sie sich ansehen, ein seltenes und wertvolles Stück«, kündigte er an, den Studentinnen und Studenten noch etwas Besonderes präsentieren wollen. Nein, bitte nicht, schrie es in Charlotte – die lang herbeigesehnte Pause hatte begonnen und sie musste doch so furchtbar nötig …
Um sie herum strömten die Mitarbeitenden der Werkskantine entgegen, doch sie war gezwungen, mit den anderen in der Produktionshalle zu verharren. Unwillkürlich stöhnte sie auf, versuchte sich im Schutz ihrer Umhängetasche die Hand zwischen die Beine unmittelbar in ihren Schritt zu pressen. Er war so schrecklich dringend – wenn sie doch nur endlich zu einem Klo kommen könnte …
Stolz zeigte ihnen der Leiter der Fertigung, wie zuverlässig das alte Stanzwerkzeug noch immer arbeitete – ein Relikt aus den 1980er-Jahren, um das herum sich moderne Maschinen aufreihten wie junge Kollegen um einen erfahrenen Altmeister. Hochinteressant, keine Frage, doch nur nicht in diesem Moment, der sich für die 20-jährige Studentin zum Katastrophalsten ihres bisherigen Lebens entwickelte.
Für das spezifische Anschauungsobjekt und die Details dazu hatte sie keinen Blick übrig. Sie war gefangen in ihrer unermesslichen Not, die ihr bald keinen Aufschub mehr gewähren würde.
Da! Charlotte erschrak. Es lief etwas! Heiße Tröpfchen rollten in ihren Slip, benetzten den Mittelteil spürbar. Panik wallte in ihr auf, insbesondere, als nach kaum einer Minute weitere Tropfen folgten. Auch sie schossen unvermeidlich aus ihrer Harnröhre hervor – mehr als beim ersten Mal, sodass die Nässe in ihrem Höschen merklich zunahm.
Entsetzt knickte Charlotte in den Knien ein, hielt die Oberschenkel eng zusammengedrückt. Ihre Wangen verfärbten sich rot. Lieber Gott, was soll ich nur machen, überlegte sie fieberhaft und sah sich gehetzt zu allen Seiten um. Die übrigen Teilnehmenden der Werksführung schauten teils mitleidig, teils neugierig zu ihr herüber – ihnen war nicht entgangen, in welch desperater Situation Charlotte steckte.
Sie hatte weder eine Ahnung davon, wo sich in der Nähe dieses riesigen Areals irgendwelche Toiletten befanden, noch wo die Kantine untergebracht war, auf die sie zuvor noch alle Hoffnungen gesetzt hatte. Allerdings spielte es auch keine Rolle: Der immense Füllstand ihrer Blase gewährte ihr keinerlei Handlungsspielraum mehr.
In ihrer beträchtlichen Not kam Charlotte die Idee, sich könnte sich ungesehen hinter eine der großen Maschinen zurückziehen und dort in ihre schwarze Umhängetasche pinkeln. Doch wäre jenes Vorhaben überhaupt umsetzbar? Und falls es schiefgehen sollte, war es dann nicht auch egal? Was hätte sie ansonsten für eine Chance? Die Konsequenz bestand darin, sich innerhalb der nächsten zehn Sekunden garantiert nasszumachen. Wie peinlich dieses Malheur wäre und wie sehr sie sich vor allen Anwesenden mit der urintropfenden Hose blamieren würde, wagte sie sich gar nicht vorzustellen. Also los, dachte sie mit wild klopfendem Herzen und diesem schrecklich drängenden Pochen der gewaltigen Pipimenge in ihrer Blase, das seinem Zenit unweigerlich entgegenstrebte.
Sie ahnte, dass ihr Einfall nicht der Beste war und dieses Ansinnen, in ihre Tasche zu pieseln, von der sie nicht einmal wusste, ob sie wasserdicht war, ein großes Risiko in sich barg, doch Charlotte war ratlos genug, es zumindest ausprobieren zu wollen. Der Versuch war ihrer Meinung nach lohnenswerter, als sich dem Schicksal kampflos zu ergeben.
Während sie sich im Laufen umschaute, ob es jemandem auffiel, dass sie sich voreilig aus der Runde ihrer Kommilitonen gelöst hatte, stolperte sie der Stelle bereits entgegen, die sie für einen Durchgang als günstig erachtete, um sich hinter der hoch aufragenden Maschine zu verbergen. Die Tasche fest im Griff ihrer rechten Hand lief sie förmlich um ihr Leben. Bitte nicht, bitte, bitte nicht, wandte sie sich in Gedanken flehend an ihre Blase, lass nichts weiter raus, ich muss es schaffen!
Es waren nur ein paar Meter, die sie insgesamt zurücklegen musste, doch diese wenigen Sekunden überforderten Charlottes Schließmuskel in einer Weise, dass er schon vor Erreichen des anvisierten Durchgangs aufgab.
»Nein!«, schrie die junge Frau für alle hörbar auf, verharrte unvermittelt an dem Punkt, an dem das Unausdenkbare einsetzte, und konnte nichts weiter tun, als mit geschlossenen Augen geschehen zu lassen, was nicht mehr abzuwenden war: Es lief und lief und lief. Ein wahrer Sturzbach sprudelte in den Schoß der Brünetten hinein, durchnässte ihren Slip in Rekordgeschwindigkeit und verschonte auch die Jeans nicht. Inklusive dem Höschen darunter war der Stoff sofort bis zum Hintern hinauf nass. In der anderen Richtung sogen sich die Beine bis zu den Knien hinunter voll, begannen, auffällig glänzende Streifen zu ziehen. Vorwitzige, gelbe Tropfen quollen durch das feuchte Material nach außen.
Charlotte konnte die Tränen nicht zurückhalten. Sie pinkelte sich vor aller Augen in die Hose! Wie unglaublich peinlich, wie beschämend und ein Grund, diese Menschen niemals im Leben wiedersehen zu wollen. Wie ich dastehe, dachte sie, in der komplett nassen Jeans, eingepullert, als hätte ich keine Kontrolle über meinen Körper … Sie schlug die Hände vors Gesicht und fing an zu weinen. Ihre Mitstudierenden standen weiter abseits, mit betretenen Blicken, die sie kaum von der tropfnassen Körpermitte der hübschen Studentin lösen konnten.
Während Charlotte weiterhin weinte und nicht wagte, sich in der nassen Hose auch nur einen Schritt vorwärts zu bewegen, holte der freundliche Produktionsleiter eine Decke aus seinem seitlich angrenzenden Büro. Diese legte er der bitterlich weinenden Charlotte unbeholfen um die Schultern.
»Nun machen Sie sich keinen Kopf«, sprach er ihr Mut zu, »das ist schon ganz anderen passiert. Wir sind hier in einer Fertigung, da gibt’s auch mal Flecken auf dem Boden. Also, alles gut würde ich sagen.«
Nach diesen gut gemeinten Worten öffnete Charlotte ihre Augen zaghaft wieder. Das erste, in das sie hineinsah, war das aufmunternd dreinschauende Gesicht des Mannes, der ihr eben noch so wohltuend Trost zugesprochen hatte. Danach drehte sie den Kopf und blickte mit knallroten Wangen zu der kleinen Ansammlung derer hinüber, die heute mit ihr zusammen die Fabrik besichtigten. Auch sie warfen ihr ein bestärkendes Lächeln zu und eine der Frauen, die humorvolle, mit der Brille, mit der Charlotte bereits einige Male ins Gespräch gekommen war, hielt ihre grüne Jacke in die Höhe. Ein zuvorkommendes Angebot, sie ihr zu überlassen, damit sie sie als halbwegs passenden Sichtschutz um die Hüften binden konnte. Durch ihren Tränenschleier hindurch nickte Charlotte erleichtert und nahm die freundliche Hilfe zum Verbergen ihres nassen Unfalls gern an.