Ziemlich beschwipst – Im Schlaf ins Bett gemacht (Kurzgeschichte)

Ziemlich beschwipst
Im Schlaf ins Bett gemacht

Von Rebecca Valentin

Kurzgeschichte, erschienen am 04.03.2021

VG Wort
Frau sitzt in ihrem eingepinkelten Bett

Lange, nachdem vor den Fenstern ihres Schlafzimmers die Sonne aufgegangen war, erwachte Charlotte voller Schreck. Sofort war sie hellwach und setzte sich kerzengerade in ihrem Bett auf. Mit beiden Händen tastete sie nach dem Laken unter ihrem Po, welches sich unangenehm feucht anfühlte. Was um Himmels willen ist das, fragte sie sich entsetzt, wieso ist da alles nass?

Draußen zwitscherten die Vögel munter und die Sonnenstrahlen drangen zwischen den Ästen der Bäume hindurch, doch jene beschauliche Morgenidylle konnte nicht über das Entsetzen hinwegtäuschen, das ihr in diesem Augenblick durch Mark und Bein fuhr.

 

Ihre Kopfschmerzen und die übrigen, wohlbekannten Anzeichen eines Katers nach der Partynacht wurden zur Nebensache. Einzig das kreisrund eingenässte Baumwolllaken war in jenem Moment von Bedeutung, als Charlotte wie von der Tarantel gestochen aufsprang und das Malheur ungläubig betrachtete. Nein, oh Gott! Ich hab tatsächlich im Schlaf ins Bett gemacht, realisierte sie die katastrophale Situation, die sie sich nicht einmal im Traum hätte ausmalen können. Ihr, als junger 22-jähriger Frau durfte so etwas doch nicht passieren, oder? Wenn du weniger getrunken und nach der Feier nicht ziemlich beschwipst schlafen gegangen wärest, dann hättest du das Bettnässen bestimmt verhindern können. Dann wäre die Matratze gewiss trocken geblieben, hörte sie im Geiste die Stimme ihrer Vernunft, welcher sie uneingeschränkt recht geben musste. Ja, vielleicht habe ich es echt übertrieben und das eine oder andere Glas war tatsächlich zu viel gewesen, gestand sie sich reumütig ein. Dennoch hatten wir alle einen Mordsspaß und das ist ja unter Mädels auch nicht zu verachten, hielt sie mit einem Grinsen dagegen, das sich zeitgleich in der Erinnerung an das feuchtfröhliche Fest in ihrem Gesicht ausbreitete.

 

Die unvorhergesehenen Folgen des Junggesellinnenabschieds, den sie mit der zukünftigen Braut, mehreren Freundinnen und reichlich Alkohol am Vorabend begossen hatte, machten sich auch in Charlottes Höschen bemerkbar. Dieses lag klatschnass an der Haut ihres Pos an und begann langsam aber sicher auszukühlen. Die junge Frau spürte den Slip klamm am Hintern und zwischen den Schenkeln haften, was sie dazu bewog, sich das tropfende Kleidungsstück rasch abzustreifen und noch immer sprachlos auf das nasse Bettlaken zu pfeffern.

 

Der Blick auf den Wecker, dessen Klingeln sie im Schlaf vollkommen überhört haben musste, trieb sie zur Eile an. Herrje, schon fast zehn, realisierte sie fassungslos. Um elf Uhr muss ich bereits am Standesamt sein … Der Umstand, dass Charlotte zur Trauzeugin ernannt worden war, verlieh den Gegebenheiten dieses Morgens eine besondere Brisanz und spornte sie zusätzlich an, sich gehörig zu sputen. Schließlich sollte es der schönste Tag im Leben ihrer besten Freundin werden, zu dessen Auftakt sie keinesfalls zu spät kommen durfte.

Hastig raffte sie das Betttuch mit dem großen feuchten Fleck und dem darauf liegenden, nächtlich eingepinkelten Höschen zusammen, knüllte es zu einer weißen Wäschekugel und stopfte es im Badezimmer direkt in die kreisrunde Öffnung der Waschmaschine hinein. Diese anzustellen blieb der jungen Frau jedoch keine Zeit; die Wäsche würde sie später erledigen müssen.

 

Zurück im Schlafzimmer beugte Charlotte sich über die Federkernmatratze, der man die nasse Panne in ihrer Mitte deutlich ansah und hob diese unter Auferbringung sämtlicher Kräfte und von einem merklichen Kater-Kopfschmerz begleitet, aus dem Bettgestell heraus. Fast meinte sie, der Raum würde sich bei dieser Art der Anstrengung um sie herum drehen, doch jenes Empfinden verschwand sofort wieder. Was blieb, war der nervige Brummschädel, gegen den Charlotte stöhnend eine Schmerztablette aus ihrer Nachttischschublade einnahm.

Die Matratze lehnte sie mit der feuchten Seite an den Heizkörper, der sich lauwarm anfühlte und dessen Thermostat sie für einen besseren Trocknungseffekt sogleich voll aufdrehte. Falls sie bis zum Abend noch nicht trocken sein sollte, werde ich die kommende Nacht wohl auf dem durchgesessenen Sofa im Wohnzimmer verbringen müssen, seufzte die 22-Jährige in Gedanken. Hierbei schickte sie ein Stoßgebet gen Himmel, dass die Heizung doch bitte gute Dienste leisten möge, damit ihr ein Erwachen mit Rückenschmerzen erspart bliebe.

Durstig trank sie den Rest des Mineralwassers, mit dem sie vorher die Tablette heruntergespült hatte, direkt aus der Flasche, stellte diese achtlos auf dem Boden ab und beeilte sich, erneut ins Bad zu flitzen.

 

Das belebende Wasser der Dusche tat Charlotte gut. Trotz aller Hektik erweckte es ihre Lebensgeister und füllte sinnbildlich den Akku auf, dessen Kapazität bis zum Ende der anstehenden Hochzeitsfeierlichkeiten vorhalten musste. Voraussichtlich wird es wieder bis tief in die Nacht gehen – das Lächeln ihrer Lippen verriet, dass sie sich in gleicher Weise auf das rauschende Fest freute, wie sie am Abend zuvor den Beginn des proseccospritzigen und sektschäumenden Junggesellinnenabschieds herbeigesehnt hatte. Nicht umsonst war sie in ihrer Clique als feierfreudige Partymaus bekannt und mit ihrer allseits guten Laune auf jeder Fete gern gesehen.

 

Im selben Augenblick, in dem Charlotte sich vorfreudig lächelnd mit ihrem besten Duschgel einseifte, öffnete sie absichtlich den Schließmuskel der Blase und pinkelte warm und entspannend in den Wasserstrahl hinein. Unter der laufenden Duschbrause zu urinieren, war nicht neu für sie, doch es nach dem fatalen Missgeschick der Nacht zu tun, verlieh der Aktion einen außergewöhnlichen Touch. Was sie ansonsten eher nebenher geschehen ließ, nahm sie nun viel bewusster wahr. Sie spürte das zarte Kribbeln beinahe erotisch am Ausgang ihrer Harnröhre, hielt mit geschlossenen Augen den Atem an und fühlte den heißen Urin in prickelnder Weise ihre Beine hinabrinnen. Wie klasse es sich anfühlt, wenn man gezielt darauf achtet, staunte sie voller Genuss. Die junge Frau richtete den Strahl der Dusche zielsicher auf ihre Klit, bis die Wogen des berauschenden Höhepunkts sie davontrugen und sie sich sicher war, dieses Pipi-Erlebnis in Zukunft häufiger so anregend zelebrieren zu wollen.

 

Unabhängig von ihrer aufregenden Erkenntnis bezüglich des neu entdeckten, deutlich bewussteren Pinkelns während des Duschens, saß Charlotte der Schreck des Bettnässens noch tief in den Knochen. Er begleitete sie sowohl beim Ankleiden und Schminken, als auch auf der Fahrt zum Standesamt. Wie hatte mir das nur passieren können? War wirklich nur mein Angeschickertsein daran schuld? Jene Fragen stellte sie sich unentwegt und obwohl sie eindringlich versuchte, diese nächtliche Begebenheit beiseitezuschieben, verfolgte sie sie beharrlich bis auf das Fest des frisch gebackenen Hochzeitspaares.

 

Der Abend war vorangeschritten und die Feier in vollem Gange. Die Gäste hatten köstlich gespeist, hierzu etwas getrunken und sich munter miteinander unterhalten. So auch Charlotte, die sich den Weißwein zum hervorragenden Essen reichlich hatte schmecken lassen und sich nun gemeinsam mit der Braut ein Gläschen Likör bestellte, um ein weiteres Mal mit ihr auf das besiegelte Eheglück anzustoßen. Zu diesem Zweck waren sie an die gemütliche Bar innerhalb des Festsaals der Landgaststätte gewechselt, der für die Hochzeitsfeierlichkeit gebucht worden war.

 

Der heiße Mandellikör mit der Sahnehaube wurde schnell gebracht und Charlotte hob ihr Glas, um der besten Freundin aufrichtig die Wünsche auszusprechen, die tief aus ihrem Herzen kamen.

»Noch einmal einen superherzlichen Glückwunsch von mir, Lisa. Ihr zwei passt echt toll zusammen. Mit deinem Ehemann hast du ganz bestimmt die richtige Wahl getroffen und ihr werdet absolut happy.«

»Danke dir«, strahlte die Braut in ihrem weißen Kleid überglücklich, »ich könnte mir wirklich keinen besseren Mann vorstellen, als Christian.« Die Frauen ließen die Likörgläser sanft klingen und nahmen zeitgleich einen Schluck von dem süßen Getränk.

»Übrigens warst du heute eine großartige Trauzeugin für mich, das wollte ich dir die ganze Zeit schon sagen«, fügte die frisch Vermählte hinzu und zog die Freundin dankbar in ihre Arme hinein.

»Oh, das habe ich gern gemacht, es war mir eine Ehre, Lisa-Schatz.«

 

Inmitten ihres Umtrunks, des innigen Gesprächs und der Umarmung bemerkten die Freundinnen nicht, dass sich zunehmend mehr Gäste um sie scharten und einer von ihnen durch Zufall besonders nah bei ihren Barhockern stand. Nur aus diesem Grund hörte der junge Mann, welcher ein enger Freund des Bräutigams war, als einziger die geflüsterten Worte, die über Charlottes Lippen kamen. Mit diesen berichtete die leicht Angeheiterte in gesenkter Stimmlage von der denkwürdigen Nacht, die ihr ein pipinasses Bettlaken beschert hatte.

»Stell dir vor, ich hab letzte Nacht ins Bett gemacht, ohne es zu bemerken …«, fasste sie ihre Erzählung abschließend zusammen und konnte ihre nach wie vor anhaltende Bestürzung darüber kaum verbergen.

»Na ja, ziemlich angetüdelt warst du ja wirklich«, gab Lisa amüsiert zu bedenken, »da kann es schon sein, dass man nicht mehr alles unter Kontrolle hat.« Sie lachte kichernd in ihre Hand hinein.

»Und du findest meine Peinlichkeit, fast zu einem Bettnässer geworden zu sein, auch noch witzig, das hätte ich mir ja denken können«, stimmte Charlotte schmunzelnd in das Lachen der Herzensfreundin ein.

 

Der nordisch aussehende Markus, der unbeabsichtigt in Hörweite geraten war, spürte sein Herz bis zum Hals hinauf schlagen. Ein Szenario, wie das von der hübschen Blonden auf dem Barhocker geschilderte, war ihm ebenfalls bestens bekannt. Allerdings entdeckte er die feuchten Laken nicht nach feierlaunigem Sektgenuss, sondern sie passierten ihm, ohne dass er die Auslöser dafür bestimmen konnte. Wer weiß, dachte er aufgewühlt, eventuell wird es in Zukunft bei ihr genauso sein und das vorherige Trinken war nur ein zeitlich passender Zufall?

 

Charlottes Lachen war ansteckend; Markus konnte sich ein Lächeln ebenfalls nicht verkneifen und blickte unauffällig zu der schönen Blondine herüber. In jenem Moment stellte er sich vor, dass ihr Erlebnis möglicherweise der Anfang von wiederkehrend nächtlichem Einnässen sein könnte, ähnlich, wie es sich des Öfteren bei ihm abspielte.

Wahnsinn, das wäre der Hammer, befand er mit rasendem Puls und vor Aufregung fühlbar kalten Händen, ein wahrer Glückstreffer und das große Los des Lebens zugleich. Ob er allerdings den Mut würde aufbringen können, die attraktive Trauzeugin in einer ruhigen Minute nach den Einzelheiten zu fragen und um ein Date zu bitten, wusste er zu diesem Zeitpunkt nicht. Dass er sich jedoch eine Freundin wünschte, mit der er das nasse Bett am Morgen wie eine Selbstverständlichkeit teilen dürfte, dessen war er sich definitiv sicher.

 

Die Gelegenheit zu einer Unterhaltung ergab sich wenig später, in der Markus sich bis zum Schluss zwar nicht traute, das heikle Thema des morgendlich nassen Bettes anzusprechen, es aber dennoch wagte, die unerhört gutaussehende Charlotte um eine Verabredung zu bitten. Sie hatten sich bis dahin derart angeregt und humorvoll miteinander ausgetauscht, dass sie sich zunehmend sympathischer geworden und wie von selbst ins Flirten geraten waren.

Markus Einladung, am kommenden Samstag mit ihm zum Essen auszugehen, hatte die aufgeschlossene Blonde daher gern angenommen und sich am Ende der Feier mit einem neckischen Küsschen und der verlockenden Aussicht auf das bevorstehende Wiedersehen von ihm verabschiedet.